Weihnachtsverse v. A. v. Droste Hülshoff


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Am Sonntage nach Weihnachten

(Luc. 2, 33-40.)

An Jahren reif und an Geschicke,
Blieb ich ein Kind vor Gottes Augen,
Ein schlimmes Kind voll schwacher Tücke,
Die selber mir zu schaden taugen.
Nicht hat Erfahrung mich bereichert;
Wüst ist mein Kopf, der Busen leer;
Ach, keine Furcht hab` ich gespeichert
Und schau` auch keine Saaten mehr!

Ging so die teure Zeit verloren,
Die über Hoffen zugegeben
Dem Wesen, was , noch kaum geboren,
Schon schmerzlich kämpfte um sein Leben:
Ich, die den Tod seit Jahren fühle
Sich langsam nagen bis ans Herz,
Weh, mir ich treibe Kinderspiele,
Als sei der Sarg ein Mummenscherz!

In siechen Kindes Haupte dämmert,
Das unverstandne Missbehagen,
So, wenn der Grabwurm lauter hämmert,
Fühl` bänger ich die Pulse schlagen.
Dann bricht hervor das matte Stöhnen,
Der kranke, schmerzgedämpfte Schrei;
Ich lange mit des Wurmes Dehnen
Sehnsüchtig nach der Arzenei.

Doch wenn ein frischer Hauch die welke,
Todsieche Nessel hat berühret,
Dann hält sie sich wie Ros` und Nelke
Und meint sich königlich gezieret.
O Leichtsinn, Leichtsinn sondergleichen,
Als ob kein Seufzer ihn gestört!
Und doch muss ich vor Gram erbleichen,
Durch meine Seele ging ein Schwert.

Wer musst` so vieles Leid erfahren
An Körpernot und Seelenleiden
Und dennoch in so langen Jahren
Sich von der Welt nicht mochte scheiden.
Ob er als Frevler sich dem Rade,
Als Tor geselle sich dem Spott,
O, sei barmherzig, ew`ge Gnade,
Nicht` ihn als Toren, milder Gott!

Du hast sein siedend Hirn gebildet,
Der Nerven rastlos flatternd Spielen
Nicht von gesundem Blut geschildet,
Weißt seine dumpfe Angst zu fühlen,
wenn er sich windet unter Schlingen,
Zu mächtig ihm und doch verhasst,
Er gern ein Opfer möchte bringen,
Wenn es nur seine Hand erfasst.

Was Sünde war, du wirst es richten,
Und meine Strafe muss ich tragen,
Und was Verwirrung, wirst du schlichten,
Weit gnäd`ger, als ich dürfte sagen.
Wenn klar das Haupt, die Fäden löser,
Was dann mein Teil, ich weiß es nicht,
Jetzt kann ich stammeln nur: "Erlöser,
Ich gebe mich in dein Gericht!"


Am Neujahrstag

Das Auge sinkt, die Sinne wollen scheiden;
Fahr wohl, du altes Jahr, mit Freud` und Leiden!
Der Himmel schenkt ein neues, wenn er will.
So neigt der Mensch sein Haupt an Gottes Güte,
Die alte fällt, es keimt die neue Blüte
Aus Eis und Schnee, die Pflanze Gottes, still. -

Die Nacht entflieht, der Schlaf den Augenliedern.
"Willkommen, junger Tag, mit deinen Brüdern!
Wo bist du denn, du liebes neues Jahr?"
Da steht es in des Morgenlichtes Prangen,
Es hat die ganze Erde rings umfangen
Und schaut ihm in die Augen ernst und klar.

"Gegrüßt du Menschenherz mit deinen Schwächen,
Du Herz voll Kraft und Reue und Gebrechen,
Ich bringe neue Prüfungszeit vom Herrn!" -
"Gegrüßt du neues Jahr mit deinen Freunden,
Das Leben ist so süß, und wären`s Leiden,
Ach, alles nimmt man mit dem Leben gern!"

"O Menschenherz, wie ist dein Haus zerfallen!
Wie magst du doch, du Erbe jener Hallen,
Wie magst du wohnen in so wüstem Graus?" -
"O neues Jahr, ich bin ja nie daheime,
Ein Wandersmann durchzieh` ich ferne Räume,
Es heißt wohl so, es ist doch nicht mein Haus!"

"O Menschenherz, was hast du denn zu treiben,
Dass du nicht kannst in deiner Heimat bleiben
Und halten sie bereit für deinen Herrn?" -
"O neues Jahr, du musst noch viel erfahren;
Und meine liebsten Sorgen wohnen fern!"

"O Menschenherz, kannst du denn alles zwingen?
Muss dir der Himmel Tau und Regen bringen?
Und öffnet sich die Erde deinem Wort?" -
"Ach nein, ich kann nur sehn und mich betrüben,
Es ist noch leider nach wie vor geblieben
Und geht die angewiesnen Wege fort."

"O tückisch Herz, du willst es nur nicht sagen,
Die Welt hat ihre Zelte aufgeschlagen,
Drin lobt sie dich mit ihrem Taumelwein!" -
"Der bittre Becher mag mich nicht erfreuen,
Sein Schaum heißt Sünde und sein Trank Gereuen,
Zudem lässt mich die Sorge nie allein."

"Hör` an, o Herz, ich will es dir verkünden,
Willst du den Pfeil in seinem Fluge binden?
Du siehst sein Ziel nicht, hat er darum keins?" -
"Ich weiß es wohl, uns ist ein Tag bereitet,
Da wird es klar, wie alles wohl geleitet,
Und all die tausend Ziele dennoch eins."

"O Herz, du bist von Torheit ganz befangen!
Dies alles weißt du, und dir kann noch bangen?
O böser Diener, treulos aller Pflicht!
Ein jeglich Ding füllt seinen Platz mit Ehren,
Seht seinen Weg und lässt sich nimmer stören,
Dein Gleichnis gibt es auf der Erde nicht.

Du hast den Frieden freventlich vertrieben!
Doch Gottes Gnad` ist grundlos wie sein Lieben:
O kehre heim in dein verödet Haus!
Kehr` heim in deine dunkle wüste Zelle
Und wasche sie mit deinen Tränen helle
Und lüfte sie mit deinen Seufzern aus!

Und willst du treu die Blicke aufwärts wenden,
So wird der Herr sein heilig Bild dir senden,
Dass du es hegst in Glauben und Vertraun.
Dann darf ich einst an deinem Kranze winden,
Und sollte dich das neue Jahr noch finden,
So mög` es in ein Gotteshäuslein schaun!"


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