Weihnachts-Reime v. R. Presber


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Weihnachtszauber

Oft fand ich in Büchern Blüten gepreßt
Aus junger Tage Frühlingsfest.

Was einst geleuchtet im Maientrieb,
Als Staub mir zwischen den Fingern blieb.

Und Duft und Farbe von sonnigem Tag -
O Gott, wie weit das im Nebel lag!

Doch heut'... Ich nahm einen alten Band
Von Kindermärchen in die Hand.

Noch klingt's mir im Herzen, noch klingt's mir im Ohr:
"Stillsitzen, mein Bübchen, ich les' dir was vor.

Von der guten Frau Holle im weißen Haar,
Vom Rumpelstilzchen, das zornig war;

Von des Königs blondhaarigem Töchterlein,
Dem fiel sein Krönchen ins Wasser hinein;

Und vom Schneewittchen, das wegmüd' und krank
Aus dem Becher der fleißigen Zwerglein trank ..."

Und wie ich so wende Blatt um Blatt,
Da steigt vor mir auf die verschneite Stadt.

Die Möwen umkreisen die Schollen im Strom,
Es schwingen sich tönend die Glocken vom Dom -

Es flockt an die Scheiben - es flüstert im Gang -
Es läutet ein Schlitten das Sträßchen entlang -

Ein Lichtchen zuckt durch die Dämmerung -
Und ich bin jung ... und ich bin jung!

Und zwischen Blättern und Kindertraum
Liegt still ein Reislein vom Weihnachtsbaum,

Als ob's in verschwiegenem Märchengrab
Viel Jahre auf mich gewartet hab'.

Und an den Nadeln dichtgedrängt
Ein glänzendes, silbernes Fädchen hängt;

Das hat verloren vom knisternden Kleid
Das Christkind meiner Kinderzeit.

Eine liebe Hand, die längst verwest,
Hat das Zweiglein wohl einst vom Baume gelöst,

Daß mich's am düsteren Wintertag
Wie Geistergruß noch finden mag.

Und sieh, im dunklen Herzen flammt
Der Baum auf, dem der Zweig entstammt.

Die bunten Kerzen strahlen weit
Über fröhliche Menschen und fröhliche Zeit

In schmeichelnder Erinnerung -
Und ich bin jung ... und ich bin jung!


Weihnachtsfriede

Die Flocken schaukeln leise nieder -
Das ist der Erde Feiertag.
Der Jubel heller Kinderlieder
Mischt sich mit ernstem Glockenschlag.
Still steht der Pflug; die Hämmer ruhen,
Die Essen selbst sind ausgebrannt.
Und lächelnd geht auf goldnen Schuhen
Der Engel Gottes durch das Land.

Und Sterne schimmern seinem Walten
Mit wunderlieblichem Geleucht -
Da wollen sich die Hände falten,
Und trotz'ge Augen werden feucht.
Und wenn erstrahlend hell im Innern
Der Kindheit treues Bild ersteht,
Fügt sich aus heiligem Erinnern
Und heißem Hoffen das Gebet:

Du, der dem Glanz der Nadelbäume
Die Last der goldnen Früchte reift,
Der nur der Kinder reine Träume
Mit seinem weißen Flügel streift,
Scheuch' mir mit deiner Gnadenfülle
Die Unrast, die mich trieb und schlug;
Gib Frieden deiner Weihnachtsstille
Und Jugend einen Atemzug!

Zeig mir mich selbst als blonden Buben
In bunter Lichter Zauberbann,
Und füll' die alten lieben Stuben
Mit meinen teuren Toten an.
Trag' Glockenton mit durchs Gelände,
Richt' mir die Augen himmelwärts,
Und leg' zwei güt'ge, kühle Hände
Auf mein gequältes Menschenherz ...


Unter der Tanne

Jene, die vor mir gegangen sind,
Draußen liegen in Regen und Wind,
Unter der Erde, unter dem Stein,
Wollen im Traum oft bei mir sein.

Hab' ich von Götzen des Markts und der Gassen
Mich nicht unterkriegen lassen,
Rief ich hinter den Zünftigen drein
Trotzig mein: Nein und dreimal nein!
Sieht ein großer stattlicher Mann
Mich aus dunklen Augen an:
"Kämpf und wehr dich; so ist's recht!
Streitbar, Junge, war unser Geschlecht,
Ausgewanderte Hugenotten,
Ließen sich ihren Glauben nicht spotten.
Sag, wie sie, was für Recht du erkannt;
Protestiere als Protestant!"
Und ich schaue, an das ich geglaubt,
Hochgetragen ein Manneshaupt,
Ungealtert und unbesiegt,
Das so lang' im Kissen schon liegt,
In den Locken, dunkel und dicht -
Und ich weiß es: der Vater spricht.

Aber lauf' ich so, kalt und naß,
Durch des Winters Flockenspaß,
Lasse mir sorglos so im Gehn
Scharf den Ost durch die Kleider wehn,
Fühl' ich von Händen unsichtbar geführt,
Leise mich, leis' an der Schulter berührt,
Seh' ich ein Auge, das sorgend wacht:
"Schone dich, Lieber, nimm dich in acht!"
Sehe in Runzeln ein gütig Gesicht -
Und ich weiß es: die Mutter spricht.

Hab' ich in Trotz und in Schuld mich verstrickt,
Daß die Liebste selbst finster blickt,
Daß der Freund, in Treue bewährt,
Brauenrunzelnd den Rücken kehrt,
Seh' ich in frühgebleichtem Haar
Neben mir eine, die teuer mir war,
Die in Träumen die Welt umfing
Und als Wissende sterben ging,
Und ich lese im blauen Blick:
"Hab nur Vertrauen, du findst dich zurück!
Bist ein Wilder; doch schlecht bist du nicht" -
Und da weiß ich's: die Schwester spricht.

Jene, die vor mir gegangen sind,
Draußen liegen in Regen und Wind,
Unter der Erde, unter dem Stein,
Wollen im Traume oft bei mir sein.
Jedes von ihnen hat seine Zeit,
Da rührt es mit Geisterhänden mein Kleid,
Da spricht es leis' im vertrauten Ton:
"Da bin ich, mein Bruder" - "Da bin ich, mein Sohn" ...
Doch brennt die Tanne im Lichterschein,
Dann treten sie alle leise herein.

Und reden zu mir mildfröhlichen Blicks
Mit Stimmen der Jugend, mit Stimmen des Glücks.
Und leben die heilige Stunde lang
Im Schimmer der Kerzen, im Glockenklang.
Und wenn ich lösche die funkelnde Zier,
Dann ist's mir immer, als hülfen sie mir;
Als stürben knisternd nach Flammenbrauch
Die Lichter am Aste vor ihrem Hauch ...

Wer weiß, wann einst meine Kraft verglimmt
Und müde mein Auge den Abschied nimmt
Von allem, was mir des Lebens Baum
Geputzt mit dem Flitter von Hoffnung und Traum -
So leis', wie das Glück die Herzen beschleicht,
So kommen sie wieder und löschen vielleicht,
Wie einst in der Christnacht im Elternhaus,
Mit sorgsamen Fingern die Lichter aus ...


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