Weihnachsdichtung v. H. Salus


Weihnachtsdichtung


Der Pelz

Meine Muse friert im hohen Norden,
Und ein Pelzlein ist ihr Traum geworden,
Weiches Fell! Ihr müßt sie hören schwärmen,
Wie das prächtig kleiden soll und - wärmen.

Ach, ich kann ihr keinen Wunsch versagen.
Meine Muse wird ihr Pelzlein tragen,
Und am Weihnachtstag sollt ihr sie sehen
Stolz und schön im neuen Pelze gehen.

Was er kostet? Hört denn: unter Brüdern,
Einen ganzen Band von Liebesliedern,
Frühlingsliedern, Liedern stillen Glückes!
Und ich schau ihn an verklärten Blickes:

Was in tiefster Brust begann zu keimen,
Was ich faßte dann in bunten Reimen,
Was ich ihr verdanke, Lenz und Lieder,
Geb' ich ihr am Weihnachtsabend wieder.

Wahrlich, keiner Königin auf Erden
Kann ein Krönungspelz verliehen werden,
Wie ich meiner Muse ihn verbräme!
Wenn nur schon der Weihnachtsabend käme!


Das Weihnachtsmärchen

Es ist ein Märchen ergangen von einer Gottesbraut
Und ihrem hochheiligen Kinde: das klingt so muttervertraut!

Es neigen im Stalle die Köpfe andächtig Esel und Rind,
Drei große Könige beugen die Knie vor dem leuchtenden Kind.

Es ist das Märchen ergangen über der Länder Rund,
Zu allen Völkern spricht es mit ihrer Heimat Mund.

Du Märchen unter Palmen, unter dem Mistelreis,
Unter strahlenden Tannenbäumen, Märchen in Schnee und Eis,

Sprichst du denn alle Sprachen, Märchen? Und bist so schlicht! -
"Nein, ich weiß nur die Sprache, so die Liebe spricht ..."


Deutsch-böhmisches Weihnachtslied

Das Christkind - redet uns das nur nicht ein!
In Bethlehem soll es geboren sein?
Irgendwo unten im Morgenland
In ewigem Sommer und Sonnenbrand?
Wie kann denn das sein!
Wie soll's denn dort unten geboren sein!

Könnt ihr euch wohl eine Weihnachtszeit
Denken, daß es nicht tüchtig schneit?
Was wär' denn das für ein Christkindelfest,
Daß Gott nicht stöbern und schneien läßt!
Wie kann denn das sein?
Zu Weihnachten muß es ordentlich schnein.

Gibt's denn dort unten Schnee und Eis,
Die Dörfer in Watte, die Wälder schneeweiß?
Sind auch keine Tannenbäumchen dort,
Wären längst in der Mohrenhitze verdorrt!
Drum kann's gar nicht sein!
Auf Christbäume muß es gehörig schnein.

Also, das redet mir niemand aus,
Das Christkind ist hier bei uns wo zu Haus.
Zu schnein am ersten Dezember fing's an,
Schneit weiter zum neuen Jahre dann:
Durch Stöbern und Schnein
Reiten die heiligen drei Könige ein ...


Einsames Fest

Was ist doch das Herz für ein seltsames Ding!
Und wie ich heut' durch die Gassen ging,
Da fing es wie närrisch an zu schlagen:
"Hör an," so sprach es, "'s ist Weihnachtstag,
Wo jeder sein Bäumchen haben mag!" -
Da hab' ich mir auch eins nach Hause getragen.

Und nun ist es Abend. Ich bin so allein,
Man kann gar nicht toteneinsamer sein,
Und mag mein Herz wie ein Uhrwerk klopfen:
"Zünd an die Kerzen!" Ich trau' mich kaum!
Das Wachs meiner Kerzen am Weihnachtsbaum
Schmilzt mir ja doch nur zu Tränentropfen!

Und so steh' ich am Fenster und starre hinaus,
Mein Bäumchen friert, und im Nachbarhaus
Zärtliches Weihnachtskerzengefunkel!
Weißt du, mein Herz, es ist Weihnachtstag,
Da jeder sein Bäumchen haben mag,
Und nur dein Fenster, dein Fenster ist dunkel!

Jetzt geht der Weihnachtsmann durch die Stadt
Und schaut, wer das Fenster dunkel hat;
... Mutter konnte so hübsch erzählen ...
Wie wird mir nur, daß ich noch singen kann!
Und singe: "Du lieber Weihnachtsmann,
Soll denn nur mir mein Bäumchen fehlen?
Zünd doch auch mir meine Kerzen an!
Hörst doch, wie innig ich bitten kann!" -


Christabend

Christabend wars. Ich träumte durch die Gassen,
Vom Weihnachtsglanz mein Herz durchglühn zu lassen.
Mein Herz war fromm, als ob durch jede Flocke
Das Bluten einer wunden Seele stocke.

"Frieden auf Erden und den Menschen allen
Glückseligkeit und stilles Wohlgefallen!"
Da, wie ich ging, zerstörte meine Träume
Ein Haufen unverkaufter Weihnachtsbäume.

Sie lagen auf dem Pflaster da, vergessen
Und schneebedeckt, als wär' ihr Grün vermessen,
Als schämten sie sich ihrer hellen Farben,
Die doch so gern, um heut' zu leuchten, starben.

Gleich einer Gauklerschaar, im Wald erfroren,
Die tief im Schnee den Weg ins Dorf verloren,
So lagen sie und sah'n aus ihrem Dunkel
Rings in den Fenstern strahlendes Gefunkel.

Sie lagen da, wie unerfülltes Sehnen,
Erträumter Schimmer, ausgelöscht durch Thränen,
Wie Leid, das wirr um die Erlösung betet,
Wie Kinderjauchzen, das der Hunger tötet.

Sie lagen da, verschüchtert und verbittert,
Vom Frost des Elends bis ins Mark durchzittert,
Den Glanz verfluchend, gleich Millionen Seelen,
In denen heut' die Friedenslichter fehlen.


Das Moosweibchen

"Kinder, kommt fort,
Seht ihr nicht dort
Zwischen den Bäumen das Moosweibchen stehn?
Kommt fort, sonst wird uns ein Leids geschehn!
Seht ihr denn nicht
Dort zwischen den Bäumen das graue Gesicht?
So schaut doch nur hin,
Sie hat Moos auf dem Kopf und Moos unterm Kinn,
Und unter dem Arm wachsen ihr ganze Büschel von Moos.
So schaut doch blos!
Jetzt hebt sie die Arme und jetzt ..."
Und der ganze Schwarm Kinder, wie gehetzt
Rennt kreischend von dannen.
Dann aber bleiben sie stehn, um zwischen den Tannen
Noch einmal das garstige Weibchen zu sehn.
Und dort steht sie und weht sie
Mit ihrem häßlichen Ziegenbart.
"Du häßliche Ziege, wart',
Ich werf dir einen Stein in dein Meckergesicht hinein!" -
Es kracht in den Ästen, das Echo erwacht
Und höhnt und lacht:
Meck, meck, ihr Kinder, meck, meck.
Da packt sie aber der Schreck, der große Schreck,
Und packt die Kinder erst recht beim Kragen,
Daß sie wie toll über die Schollen zum Dorfe jagen ...


Weihnacht

Da hob sich voll der Klang der Weihnachtsglocken.
Zu meinem Lager, drauf ich matt und krank
Und einsam siechte, drang ihr Friedensklang;
Ich wachte auf, erregt und süß erschrocken.

Mir war, der Engel der Versöhnung bleibe
Auf seinem Flug vor meinem Fenster auch,
Es taue auf vor seines Mundes Hauch
Die frosterstarrte, blinde Fensterscheibe.

Als spräche er zu mir: Mein lieber Heide,
Zum Sternenhimmel blick empor! Du bist
Durch das Martyrium des Leid's ein Christ!
Auch dir klingt eine Glocke: Leb' und leide!


Weihnachtsdichtung