Weihnachtsgedichte v. A. v. Droste Hülshoff


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Am ersten Sonntage im Advent

Evang.: Eintritt Jesu in Jerusalem. (Matth. 21, 1-11.)

Du bist so mild,
So reich an Duldung, liebster Hort,
Und musst so wilde Streiter haben;
Dein heilig Bild
Ragt überm stolzen Banner fort,
Und deine Zeichen will man graben
In Speer und funkensprühend Schild.

Mit Spott und Hohn
Gewaffnet hat Parteienwut,
Was deinen sanften Namen träget,
Und klirrend schon
Hat in des frömmsten Lammes Blut
Den Fehdehandschuh man geleget,
Den Zepter auf die Dornenkron`.

Wenn Stirn an Stirn
Sich drängen mit verwirrtem Schrei
Die Kämpfer um geweihte Sache,
Wenn in dem Hirn
Mehr schwindelt von der Welt Gebräu,
Von Siegesjubel, Ehr` und Rache
Mehr zähe Mottenfäden schwirrn,

Als stark und rein
Der Treue Nothemd weben sich
Sollt`, von des Herzens Schlag gerötet:
Wer denkt der Pein,
Durchzuckend wie mit Messern dich,
Als für die Kreuz`ger du gebetet! -
O Herr, sind dies die Diener dein?

Wie liegt der Fluch
Doch über alle, deren Hand
Noch rührt die Sündenmutter Erde!
Ist`s nicht genug,
Dass sich der Flüchtling wärmt am Brand
Der Hütte? Muss auf deinem Herde
Die Flamme schürn unsel`ger Trug?

Wer um ein Gut
Der Welt die Sehnsucht sich verdarb,
Den muss der finstre Geist umfahren;
Doch, was dein Blut,
Dein heilig Dulden uns erwarb,
Das sollten knieend wir bewahren
Mit starkem, aber reinem Mut.

So bleibt es wahr,
Was wandelt durch des Volkes Mund:
Dass, wo man deinen Tempel schauet
So mild und klar,
Dicht neben den geweihten Grund
Der Teufel seine Zelle bauet,
Sich wärmt die Schlange am Altar.

Allmächt`ger du,
In dieser Zeit, wo dringend not,
Dass rein dein Heiligtum sich zeige,
Lass nicht zu,
Dass Lästerung, die lauernd droht,
Verschütten darf des Hefens Neige
Und, ach, den klaren Trank dazu!

Lass alle Treu`
Und allen standhaft echten Mut
aufflammen immer licht und lichter!
Kein Opfer sei
Zu groß für ein unschätzbar Gut,
Und deine Scharen mögen dichter
Und dichter treten Reih` an Reih`.

Doch ihr Gewand
Sei weiß, und auf der Stirne wert
Soll keine Falte düster ragen;
In ihrer Hand,
Und fasst die Linke auch das Schwert,
Die Rechte soll den Ölzweig tragen,
Und aufwärts sei der Blick gewandt.

So wirst du früh
Und spät, so wirst du einst und heut
als deine Streiter sie erkennen:
Voll Schweiß und Müh`,
Demütig, standhaft, friedbereit -
So wirst du deine Scharen nennen,
Und Segen strömen über sie.


Am zweiten Sonntage im Advent

Evang.: Von Zeichen an der Sonne (Luc. 21, 25-33.)

Wo bleibst du, Wolke, die den Menschensohn
Soll tragen?
Seh` ich das Morgenrot im Osten schon
Nicht leise ragen?
Die Dunkel steigen, Zeit rollt matt und gleich;
Ich seh` es flimmern, aber bleich, ach bleich!

Mein eignes Sinnen ist es, was da quillt
Entzündet,
Wie aus dem Teiche grün und schlammerfüllt
Sich wohl entbindet
Ein Flämmchen und, von Schilfgestöhn umwankt,
Unsicher in dem grauen Dunste schwankt.

So muss die allerkühnste Phantasie
Ermatten;
So in der Mondesscheibe sah ich nie
Des Berges Schatten
Gewiss, ob ein Koloss die Formen zog,
Ob eine Träne mich im Auge trog.
So ragt und wälzt sich in der Zukunft Reich
Ein Schemen
Mein Sinnen, sonder Kraft, gedankenbleich.
Wer will mir nehmen
Das Hoffen, was ich in des Herzens Schrein
Gehegt als meiner Armut Edelstein?

Gib dich gefangen, törichter Verstand!
Steig nieder
Und zünde an des Glaubens reinem Brand
Dein Döchtlein wieder,
Die arme Lampe, deren matter Hauch
Verdumpft, erstickt in eignen Qualmes Rauch.

Du seltsam rätselhaft Geschöpf aus Ton,
Mit Kräften,
Die leben, wühlen, zischen wie zum Hohn
In allen Säften,
O, bade deinen wüsten Fiebertraum
Im einz`gen Quell, der ohne Schlamm und Schaum!

Wehr` ab, stoß fort, was gleich dem frechen Feind
Dir sendet
Die Macht, so wetterleuchtet und vereint;
Und starr gewendet
Wie zum Polarstern halt das eine fest,
Sein Wort, sein heilig Wort - und Schach dem Rest!

Dann wirst du auf der Wolke deinen Herrn
Erkennen,
Dann sind Jahrtausende nicht kalt und fern,
Und zitternd nennen
Darfst du der Worte Wort, der Liebe Mark,
Wenn dem Geheimnis deine Seele stark.


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