Verse zu Weihnachten v. A. v. Droste Hülshoff


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Am Weihnachtstag

(Evang.: von der Geburt Christi, Luc. 2, 1-14; 15-20.)

Durch alles Straßen wälzt sich das Getümmel,
Maultier, Kamele, Treiber: welch Gebimmel!
Als wollte wieder in die Steppe ziehn
Der Same Jakobs, und Judäas Himmel
(Ein Saphirspiegel über dem) Gewimmel,
Lässt blendend seine Funkenströme sprühn.

Verschleiert Frauen durch die Gassen schreiten,
Mühselig vom beladnen Tiere gleiten
Bejahrte Mütterchen; allüberall
Geschrei und Treiben, wie vor Jehus Wagen:
Lässt wieder Jezabel ihr Antlitz ragen
Aus jener Säule lustigem Portal?

`s ist Rom, die üpp`ge Priesterin der Götzen,
Die glänzendste und grausamste der Metzen,
Die ihre Sklaven zählt zu dieser Zeit.
Mit einem Griffel, noch von Blute träufend,
Gräbt sie in Tafeln, Zahl auf Zahlen häufend,
Der Buhlen Namen, so ihr Schwert gefreit.

O Israel, wo ist dein Stolz geblieben?
Hast du die Hände blutig nicht gerieben,
Und deine Träne, war sie siedend Blut?
Nein, als zum Marktplatz deine Scharen wallen,
Verkaufend, feilschend unter Tempels Hallen;
Mit ihrem Gott zerronnen ist ihr Mut!

Zum trüben Irrwisch ward die Feuersäule,
Der grüne Aronstab zum Henkerbeile,
Und grausig übersteint das tote Wort
Liegt, eine Mumie, im heil`gen Buche,
Drin sucht der Pharisäer nach dem Fluche,
Ihn donnernd über Freund und Fremdling fort.

So, Israel, bist du gereift zum Schnitte,
Wie reift die Distel in der Saaten Mitte;
Und wie du stehst in deinem grimmen Hass
Gegenüber der geschminkt und hohler Buhle,
Seid gleich ihr vor gerechtem Richterstuhle,
Von Blute sie und du von Geifer nass.

O tauet, Himmel, tauet den Gerechten!
Ihr Wolken, regnet ihn, den wahr und echten
Messias, den Judäa nicht erharrt!
Den Heiligen und Milden und Gerechten,
Den Friedenskönig unter Hassesknechten,
Gekommen, zu erwärmen, was erstarrt!

Still ist die Nacht; in seinem Zelt geborgen,
Der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen,
Wann Judas mächtiger Tyrann erscheint,
Den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange
Dem Stern, der gleitet über Äthers Wange,
Wie Freudenzähre, die der Himmel weint.

Und fern vom Zelte über einem Stalle,
Da ist`s, als ob aufs niedre Dach er falle;
In tausend Radien sein Licht er gießt.
Ein Meteor, so dachte der Gelehrte,
Als langsam er zu seinen Büchern kehrte.
O weißt du, wen das niedre Dach umschließt?

In einer Krippe ruht ein neugeboren
Und schlummernd Kindlein; wie im Traum verloren
Die Mutter kniet, Weib und Jungfrau doch.
Ein ernster, schlichter Mann rückt tief erschüttert
Das Lager ihn(en; seine Rechte zittert
Dem Schleier nahe um den Mantel noch.)

Und an der Türe stehn geringe Leute,
Mühsel`ge Hirten, doch die Ersten heute,
Und in den Lüften klingt es süß und lind,
Verlorne Töne von der Engel Liede:
"Dem Höchsten Ehr` und allen Menschen Friede,
Die einst guten Willens sind!"


Am zweiten Weihnachtstage

(Evang.: Matth. 23, 34-39; Epistel: Apostelg. 6, 8-10 und 7, 54-59.)

Jerusalem, Jerusalem!
Wie oft erschollen ist dein Ruf;
Du spieltest sorglos unter dem
Verderben, unter Rosses Huf
Und Rades Wucht. Schau`, darum ist
Verödet deine Stätte worden,
Und du ein irres Küchlein bist,
Sich duckend unter Geierhorden.

Vorüber ist die heil`ge Zeit,
Wo deinen Sinnen er bekannt;
Noch seiner Wunder Herrlichkeit
Zieht nur als Sage durch das Land.
Der Weise wiegt sein schweres Haupt,
Der Tor will dessen sich entschlagen,
Und nur die fromme Einfalt glaubt
Und mag die Opfergabe tragen.

O, bringt sie nur ein willig Tun,
Ein treues Kämpfen zum Altar,
Dann wird auf ihr die Gnade ruhn,
Ein hohes Wunder immerdar.
Doch bleibt es wahr: der Gegenwart
Gebrochen sind gewalt`ge Stützen,
Seit unsren Sinnen trüb und hart
Verhüllt ward seiner Zeichen Blitzen.

War einst erhellt der schwanke Steg,
Und klaffte klar der Abgrund auf,
Wir müssen suchen unsren Weg
Im Heiderauch ein armer Hauf`.
Des Glaubens köstlich teurer Preis
Ward wie gestellt auf Gletschers Höhen;
Wir müssen klimmen übers Eis
Und schwindelnd uns am Schlunde drehen.

Was, Herr, du ließest fort und fort,
Hat in die Seele wohl gebrannt,
Doch bleibt es ein geschriebnes Wort,
Unsichtbar die lebend`ge Hand.
Ach, nur wo Grübeln nicht und Stolz
Am Stamme nagt seit Tag und Jahren,
Blieb frisch genug das mark`ge Holz,
Frei durch Jahrtausende zu fahren.

So ist es, wehe, schrecklich wahr,
Dass mancher, wie zum starken Mast
Geschaffen, in der Zeit Gefahr
Die Glaubenssegel hat gebrasst,
Nun dürre Säule nackt und schwer
Nur krachend kündet durch das Wehen,
Hier sei in Zweifels Wüste Meer
ein mächtig Schiff am Untergehen.

O, sende Retter, deinen Blitz,
Der ihm den frommen Hafen hellt,
Da einst der starke Mast als Sitz
Der Pharuslampe sei gestellt.
Es trägt Gebirge ja dein Land,
Wo Zedern sich zu Zedern einen,
Lass nicht ein Sturmlicht den Verstand
Und einen Fluch die Kraft erscheinen!

Als Stephanus mit seinem Blut
Besiegelte den Christussinn,
Da legten Mörder, heiß von Wut,
Zu eines Jünglings Füßen hin,
Der stumm und finster sich gesellt,
Die Kleider staubig, schweißbefeuchtet.
Und der ward Paulus, Christi Held,
Des Strahl die ganze Welt durchleuchtet.


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